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Grenzen der Wettervorhersage
In den letzten Jahrzehnten sind die Vorhersagemodelle immer genauer geworden, dank präziser werdender räumlicher Auflösung, klügeren Algorithmen und einem besseren Prozessverständnis. Zusätzlich gibt es mittlerweile Prototypen von Quantenprozessoren, die ja allem Anschein nach über sehr viel mehr Rechenkapazität als herkömmliche Prozessoren verfügen. Offensichtlich müssen Wettervorhersagen daher bald ein abgeschlossenes Thema sein und wir können Prognosen bis in die ferne Zukunft abgeben.
Ganz so einfach ist es aber leider nicht. Auch wenn die Rechenleistungen weiter steigen und unser Verständnis besser wird, gibt es tatsächlich ein theoretisches Limit des vorhersagbaren Zeitraumes. Dies hängt mit der Chaostheorie beziehungsweise vielen Menschen unter dem Titel "Schmetterlings-Effekt" bekannten Konzept zusammen. Diese Metapher versucht die komplexe und verwobene Struktur der Atmosphäre zu verbildlichen, indem in der Vorstellung ein Flügelschlag eines Schmetterlings auf der einen Erdhälfte ein Gewitter auf der anderen auslöst. In mathematische Sprache übersetzt meint man damit: Ein Prozess hängt stark von den Anfangsbedingungen ab, eine kleine Änderung des Anfangszustandes bewirkt also eine große Änderung des Ergebnisses.
Kleiner Fun Fact dazu: Schon eine Konstellation aus drei Massen zählt zu der Klasse dieser Probleme, beispielsweise die Umlaufbahnen von drei Planeten. Gerade im Bereich der Astronomie sind wir aber nun mal extrem präzise, was die Messungen angeht (bezogen auf die Größenordnungen der Zahlen).
Und Wettermodelle sind auch sogenannte Anfangswertprobleme, man kann also eine Vorhersage auf Grund des aktuellen Zustandes der Atmosphäre treffen. Das heißt aber auch, dass die selbe Problematik auch für Wetterprognosen besteht. Deswegen erstellt man im Übrigen auch Ensemble-Prognose, die im Endeffekt mehrere Läufe des gleichen Modells sind, nur ändert man bei jedem ein wenig die Anfangsbedingungen, wodurch man zumindest mal Wettertrends ablesen kann.
Auch findet sich hier das nächste Problem direkt bei den Messungen: Für die Umlaufbahnen der Planeten benötigt man nur relativ wenige Größen, um die Bewegungsgleichungen zu lösen, verglichen mit der Atmosphäre. In den Wettermodellen wird die Atmosphäre in ein Gitter und zusätzlich mehrere Höhenschichten unterteilt – das aktuelle ICON-D2 Modell hat insgesamt etwa 35 Millionen dieser Gitterpunkte. Und an jeder dieser Gitterpunkte müssen Größen wie Druck, Temperatur und Luftfeuchte (sowie weitere/andere Parameter) bekannt sein, um die Bewegung der Luftmassen und des daraus resultierenden Wetters zu bestimmen. An dieser Stelle merkt man also schnell, dass eine präzise Erfassung der aktuellen Zustandsgrößen unserer Atmosphäre eher einer Aufgabe biblischen Ausmaßes gleichkommt.
Zurück zum Thema Quantenprozessoren: Die werden auch noch einige Zeit auf sich warten lassen bis sie in der Wettervorhersage verwendbar sind – schließlich müssen die ganzen Modelle dafür erstmal in einer für den Quantenrechner verständlichen Programmiersprache übersetzt werden, zumal bei Hochleistungsrechnern zusätzlich die Architektur, also die Bauteile und der Schaltkreis des Rechners, Unterschiede bei der Ausführung großer Rechenoperationen macht.
Fazit: Es dauert noch ein wenig bis wir zum theoretischen Limit der Wettervorhersagbarkeit kommen, da liegt noch einiges an Arbeit vor den meteorologischen Theoretikern und Modellierern.
Übrigens: Theoretiker setzen die maximale Zeitdauer, die man einigermaßen präzise vorhersagen kann auf etwa 2 Wochen.
Ein Artikel von Florian Zanger / Praktikant bei Q.met